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Das Rätsel des Opfers
Auszug aus PFINGSTOPFER
Die Debatte zwischen Professor Reiter und Meinhold Hanik fand im Audimax der Universität Hamburg statt. Glauberg durchquerte das verglaste Foyer des Gebäudes und betrat den Hörsaal. Die Bögen der Sitzreihen im Parkett füllten sich zunehmend. Die Veranstaltung stand unter dem Titel: Gott ist T.O.T. - Ist die Wissenschaft eine atheistische Ideologie? Auf der Bühne des modernen, wie ein Theater mit seitlichen Rängen ausgestatteten Hörsaals standen drei Sessel aus verchromten Stahlrohr mit schwarzen Lederpolstern.
Glauberg setzte sich in einer der hinteren Reihen an den Rand. Er dachte an die Youtube-Videos von neurochirurgischen Schädelöffnungen, die er sich vor ein paar Tagen angesehen hatte. Die kurzen, unkommentierten Filme hatten ihn mit ihrer Mischung aus chirurgischer Routine und der Ungeheuerlichkeit dessen, was gezeigt wurde, zugleich erschreckt und beeindruckt. Es dauerte nicht länger als zehn Minuten, einen Schädel zu öffnen. Mit einem Drillbohrer wurden drei oder vier Löcher in der Größe einer Centmünze in die Schädelplatte gebohrt. Das ausgeworfene Knochenmehl wurde abgespült, und danach fraß sich ein Kraniotom von Loch zu Loch durch den Schädelknochen wie eine Laubsäge durch Balsaholz. Zum Schluss wurde die herausgesägte Schädelplatte abgehoben und entfernt. Die Hirnhaut darunter sah aus wie dickes, zart marmoriertes Pergamentpapier. Alle Videos waren mit klassischer Musik unterlegt.
Glauberg hatte gelesen, dass es Menschen gab, deren Charakter sich nach Schlaganfällen ins Gegenteil verkehrte. Von sanften liebevollen Familienvätern wurden sie zu reizbaren aggressiven Haustyrannen. Niemand erkannte sie wieder, obwohl sie äußerlich immer noch die gleichen waren. Ein paar zerstörte Gehirnzellen, und man war nicht mehr der, für den man sich gehalten hatte. Und man merkte es noch nicht einmal. Man glaubte, alles sei in Ordnung, und man sei immer noch derselbe. Was war die Seele, wenn ein winziges Blutgerinnsel sie derart verformen konnte?
Glauberg sah sich im Hörsaal um. Die Sitzreihen waren inzwischen zu zwei Dritteln besetzt. Die Zuhörer waren überwiegend jung. Glauberg stand gelegentlich auf, um Hinzukommende durchzulassen. Kurz vor Beginn der Veranstaltung sagte eine Stimme: „Ist der Platz neben Ihnen noch frei?“
Er sah auf. „Paula, was soll das?“
„Das ist doch eine öffentliche Veranstaltung, oder?“
Er machte ihr Platz, und sie setzte sich.
„Was willst du hier?“
„Ich will nur zuhören.“
„Ich habe viel für dich riskiert.“
„Ich lasse mir etwas einfallen, um es wiedergutzumachen.“
„Ich kann dich nicht immer schützen.“
„Ich will nur zuhören.“
Das Licht im Hörsaal wurde abgedimmt. Dirk Reiter, Meinhold Hanik und ein Journalist betraten die Bühne. Die drei setzten sich, die privaten Gespräche im Publikum verstummten. Der Journalist begrüßte die Zuschauer, seine Stimme wurde via Mikroport zu den Lautsprechern übertragen. Er stellte Reiter und Hanik vor und wandte sich dann an den Neurologen: „Herr Professor Reiter, Sie haben vor kurzem öffentlich Nietzsche zitiert: Gott ist tot. Lehren Sie an Ihrem Institut den Atheismus?“
Glauberg betrachtete Reiter. Für jemanden, der vielleicht einen Mord begangen hatte, saß er sehr ruhig im Rampenlicht. Seine Hände lagen entspannt auf den Armlehnen. Er ließ sich mit der Antwort Zeit, und was er dann sagte, glich im Wesentlichen dem, was er auch am Montag schon ausgeführt hatte. Er erklärte, was es mit der Abkürzung T.O.T. auf sich hatte und dass das Gehirn vom neurologischen Standpunkt aus nicht mehr sei als ein komplexes Netzwerk sehr spezieller Zellen, in dem es keinen Platz gebe für klassische philosophische oder religiöse Begriffe wie Freiheit oder Gott. Und letztlich beantwortete er die ihm gestellte Frage, ob er an seinem Institut den Atheismus lehre, indem er sie zurückwies: „Wir machen keine Aussage über die Existenz Gottes“, sagte er, „sondern wir stellen lediglich fest: Im Gehirn ist er nicht zu finden. Um die Funktionsweise des Gehirns zu verstehen, brauchen wir ihn nicht.“
Der Journalist nickte unverbindlich und brachte weder Zustimmung noch Ablehnung zum Ausdruck. „Sind Sie mit dieser Erklärung zufrieden“, wandte er sich an Hanik. „Hält sich die Wissenschaft einfach nur aus den religiösen Grundfragen heraus?“
Der Prediger richtete sich in seinem Sessel auf und lächelte dabei so, wie Glauberg es ebenfalls schon kannte. „Zufrieden?“, sagte er. „Wie kann ich zufrieden sein, wenn es Lehren gibt, die den Status der Wissenschaft genießen und dennoch jeder Vernunft und jedem inneren Gefühl widersprechen?“ Und danach blieb auch er alles in allem bei dem, was er bei seiner Unterhaltung mit Glauberg erklärt hatte: Dass es seine Pflicht sowohl als Christ, aber eben auch als Bürger dieses Landes sei, der neurologischen Forschung entgegenzutreten und das Grundgesetz zu verteidigen, das jede Form der religiösen Parteinahme des Staates verbiete. Er sprach vom Atheismus als Staatsreligion und verglich die Wissenschaft erneut mit dem Islam, der der gesamten Menschheit vorschreiben wolle, was sie zu glauben habe. Und nachdem er sich so einmal mehr zum streitbaren Bewahrer der europäischen Grundwerte erklärt hatte, wandte er sich direkt ans Publikum und sagte: „Wir alle hier im Saal wissen doch, dass es nicht so ist, wie die Wissenschaft des Herrn Reiter es lehrt. Wir alle wissen, dass es nicht nur die Materie und ihre vermeintlichen Gesetze gibt. Wir Menschen sind freie Wesen, weil Gott uns als freie Wesen geschaffen hat. Wenn wir offen sind für Gott, dann spüren wir das in jedem Moment unseres Lebens.“
Reiter schüttelte demonstrativ den Kopf. „Spüren, fühlen … damit kommen wir nicht weiter. Das sind keine wissenschaftlichen Begriffe.“
„Nein“, lächelte Hanik. „Es sind menschliche Begriffe.“
Für diese Pointe erntete er Beifall. Glauberg begann sich zu fragen, ob es sinnvoll gewesen war, hierher zu kommen. Er betrachtete Reiter und Hanik und alles, was er sah, waren zwei Männer, die sich in ihren jeweiligen Weltbildern verschanzt hatten. Es würde keine echte Kommunikation zwischen den beiden geben, sondern nur ein Gefecht mit vorgefertigten ideologischen Kanonenkugeln.
Glaubergs Aufmerksamkeit ließ nach, und er musste an Paulas Akte denken, die er in der Nacht zuvor gelesen hatte. Er wusste jetzt, was die Frau, die neben ihm saß, als Teenager in der DDR durchgemacht hatte - oder wahrscheinlich wusste er es immer noch nicht. In der Akte wurden die Vergehen und Verhöre im Jugendwerkhof Torgau dokumentiert, erzieherische Maßnahmen und abstruse pädagogische Rechtfertigungen für drakonische Bestrafungen - nicht aber das, was darüber hinaus an Unmenschlichem geschehen war, um Paulas Freiheitsdrang und ihren unangepassten Willen zu brechen ...
Glauberg sah sie an. Sie hörte zu, und er erinnerte sich daran, dass er vor zehn Jahren schon einmal neben ihr in einem abgedunkelten Zuschauerraum gesessen hatte. Damals waren sie in Berlin in der Oper gewesen, in der Zauberflöte, in der es um ein unglückliches, entführtes Mädchen ging, das darauf wartete, von einem Prinzen befreit zu werden. Ein Mädchen zwischen zwei miteinander verfeindeten Reichen - einem hellen und einem dunklen Reich. Und irgendwie war das Paulas Geschichte gewesen, die das Kind einer Liebesaffäre zwischen Ost und West war. Nur dass in Paulas Leben nie ein Prinz gekommen war, um sie zu retten und zu lieben.
Glauberg zwang sich, nicht weiter darüber nachzudenken. Er war nicht hierher gekommen, um sich Gedanken über Paula zu machen. Er wandte sich dem Geschehen auf der Bühne zu und brauchte ein paar Sekunden, um den Diskussionsfaden wiederzufinden.
„Es gibt ein berühmtes Experiment zur Willensfreiheit“, dozierte Reiter soeben, „das auf den amerikanischen Neurophysiologen Benjamin Libet zurückgeht. Es ist seither oft wiederholt worden, aber die ursprüngliche Variante hat Libet bereits in den späten siebziger Jahren durchgeführt. Darin forderte er Versuchspersonen auf, spontan eine Hand zu bewegen, ganz egal wann. Gleichzeitig sollten sie auf eine spezielle Uhr blicken und sich den Zeitpunkt ihres Handlungsentschlusses merken. Und außerdem maß Libet währenddessen die Hirnströme und Muskelbewegungen seiner Probanden. Dabei stellte er erstaunt fest, dass die für die Bewegung der Hand zuständigen motorischen Areale im Gehirns bereits jeweils vor der bewussten Entscheidung der Probanden aktiv wurden. Das heißt, noch bevor sie sich bewusst wurden, dass sie die Hand bewegen wollten, war das Gehirn bereits mit der Umsetzung dieses Entschlusses beschäftigt. Was bedeutet das ganz offensichtlich? Es bedeutet, dass die Entscheidung zur Handbewegung vom Gehirn ohne Beteiligung des Bewusstseins getroffen und dem Ich danach lediglich als Wille übermittelt wurde. Wir Neurologen bringen das gerne auf die Kurzformel: Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun. - Ich gebe zu, das klingt nicht sehr attraktiv, dessen bin ich mir durchaus bewusst, aber wir suchen uns die Resultate unserer Forschungen nicht aus. Wenn sie uns nicht gefallen, müssen wir trotzdem damit klarkommen. Wissenschaft bedeutet eben nicht, die Wahrheit unseren persönlichen Bedürfnissen und Wünschen anzupassen. Und das heißt in letzter Konsequenz: Unser ziemlich unerschütterlicher Glaube, über einen freien individuellen Willen zu verfügen, ist eine Illusion.“
Der Prediger schüttelte - wie immer lächelnd - den Kopf. „Sie tun so, als gäbe es die Wissenschaft. Tatsache ist aber, dass man sich auch in der Wissenschaft nicht einig ist, woher wir kommen. Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass es bei der Entwicklung des Lebens auf der Erde sehr häufig intelligente Eingriffe von außen gegeben hat! Der englische Astronom Fred Hoyle, ein ganz traditioneller und in Ihrem Sinne tätiger Wissenschaftler, hat - ebenfalls bereits in den siebziger Jahren - festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Leben durch zufällige Evolution so groß ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei einem Tornado auf einem Schrottplatz spontan ein Jumbo-Jet zusammensetzt. Na, da wäre ich aber gerne dabei!“
Haniks Anhänger lachten und klatschten. Es war schwer zu entscheiden, ob sie im Saal die Mehrheit stellten oder nur eher bereit waren, ihre Zustimmung zu artikulieren.
Ebensogut wie Reiter, dachte Glauberg, konnte auch Hanik den Mord begangen haben. Spillers Überlegung, dass Reiter als Zuzanas Kunde möglicherweise erpresst worden war, ließ sich auch auf Hanik übertragen. Beide, Reiter und Hanik, waren Personen, die in der Öffentlichkeit standen und daher auf ihren Ruf achten mussten - Hanik sogar noch sorgfältiger als Reiter. Für einen Professor war es zweifellos peinlich, wenn bekannt wurde, dass er mit einer Prostituierten verkehrte, für einen selbsternannten Evangelisten aber war es wohl das Ende der Karriere.
Reiter sagte: „Die sogenannten Studien, von denen Herr Hanik spricht, erfüllen allesamt nicht einmal ansatzweise naturwissenschaftliche Standards.. Das Problem ist, dass außerhalb des akademischen Rahmens natürlich jeder behaupten kann, er betreibe Wissenschaft. Wenn man als seriöser Wissenschaftler mit christlichen Fundamentalisten diskutiert, läuft man Gefahr, deren Ansichten durch solche Veranstaltungen aufzuwerten. Aus der Perspektive der Öffentlichkeit begegnet man sich gleichsam auf Augenhöhe, was aber nicht der Fall ist. Dass ich dieser Veranstaltung hier dennoch zugestimmt habe, liegt an den Ereignissen der vergangenen Wochen und Monate, wobei der Tod der Prostituierten in der Nähe von Husum nur der Tropfen ist, der das Fass schließlich zum Überlaufen gebracht hat. Der christliche Fundamentalismus ist in unserem Land seit Jahren auf dem Vormarsch, und ich verstehe nicht, warum wir diese schleichende Unterwanderung unseres Gemeinwesens dulden. Es ist an der Zeit, sich dem öffentlich in den Weg zu stellen. Deswegen sitze ich hier.“
Der Journalist wandte sich an Hanik: „Ist das so? Sind Sie für dieses Land eine Bedrohung?“
„Aber nein!“, sagte Hanik, und seine Augen leuchteten erneut ins Publikum. „Wir sind für die Menschen eine Chance! Mein Gegenüber dämonisiert uns lediglich, um auf sich aufmerksam zu machen. Auf sich ganz persönlich! Ich verrate Ihnen jetzt den wahren Grund, warum wir hier sitzen: Im schleswig-holsteinischen Innenministerium wird zur Zeit an einer Umstrukturierung der Forschungsförderung gearbeitet. In diesem Zusammenhang ist die Schließung der neurobiologischen Abteilung am MPI in Plön geplant. Die Max-Planck-Gesellschaft hat dem auch bereits zugestimmt, weil man sich mit den neurobiologischen Forschungsinstituten in Frankfurt und München in diesem Bereich hinreichend gut aufgestellt sieht. Die Schließung von Herrn Reiters Abteilung in Plön ist also im Prinzip beschlossene Sache - und das ist der Kern des Ganzen. Es geht um Forschungsgelder und sonst nichts. Ich scheue mich fast, es auszusprechen, aber Professor Reiter benutzt den grausamen Mord an einer jungen Frau, um sein Forschungsressort vor der Schließung zu retten. Deswegen schürt er die Angst vor einem vermeintlichen christlichen Fundamentalismus, gegen den angeblich nur das Bollwerk der Wissenschaft hilft. Das alles ist durchschaubar und bedauerlich, aber einzig aus diesem Grund hat er in dieses Gespräch eingewilligt. Oder sehe ich das falsch? Stimmen meine Informationen nicht?“ Er drehte den Kopf zur Seite und richtete seine nächste Frage direkt an Reiter: „Steht Ihre Forschungsabteilung nicht vor der Schließung?“
Der Neurologe schwieg. Der Journalist wandte sich Reiter nun ebenfalls direkt zu und wartete auf eine Entgegnung. Aber Reiter schwieg weiter, und je länger sein Schweigen dauerte, um so tiefer wurde die Stille im Hörsaal. Und dann fiel in diese Stille hinein ein Schuss. Der Schuss hallte in der Stille nach, und es fiel noch ein zweiter Schuss. Dann begann das Inferno.
Das Geschrei war infernalisch, und ebenso die Bewegung der Menschenmasse, die nach den beiden Schüssen aus den Sitzreihen zu den Auf- und Ausgängen drängte und stürzte - eine Körperflut, die Glauberg und Paula am Rand der Sitzreihe zu überrollen drohte, die sie mitriss, während noch ein dritter Schuss fiel und ein vierter.
Auf der Bühne fielen die Sessel um. Dumpf schlugen Kugeln in den Holzboden ein, die drei Männer flohen zu den Seitenausgängen, und nach dem dritten Schuss riss Hanik den rechten Arm hoch, um die Hand auf den linken Oberarm zu pressen.
Auf der überfüllten Treppe wurden Glauberg und Paula auseinandergerissen. Er schrie, aber sie hörte ihn nicht, die Flut spülte sie mit sich dem Ausgang entgegen, und er verlor sie aus den Augen, die Menschenmasse war wie ein machtvoller Strom, gegen den nicht anzukommen war. Er trat auf etwas Weiches, einen Körper, er stemmte sich gegen die von hinten andrückende Masse, um den Gestürzten davor zu bewahren, zertrampelt zu werden, und es gelang ihm irgendwie, den Mann hochzureißen, bevor die Lücke im Strom sich über ihm schloss.
Sie flossen, stockten, stauten sich zur Tür. Endlich im Foyer, schaufelte Glauberg Schultern und Köpfe zur Seite, um irgendwie quer zum Strom nach rechts zur Treppe zu gelangen. Die Ränge waren für das Pulikum nicht geöffnet gewesen, von dort, glaubte er, war geschossen worden. Ein Flüchtender rammte ihn von der Seite, erneut riss der Strom ihn mit. Sein Körper war zu groß und zu schwer, um durch die Maschen der flüchtenden Masse schlüpfen zu können. Er musste sich eine Schneise erkämpfen. Er atmete heftig. Seine Lunge tat ihm weh. Er war über fünfzig, das spürte er jetzt. Dann hatte er den Durchbruch geschafft. Er erreichte die Treppe und hastete schwer atmend nach oben. Die linke Eingangstür zur Empore stand offen. Er erreichte sie und rang nach Luft.
Sieben oder acht Sitzreihen von ihm entfernt stand Paula vorgebeugt an der Balustrade, die die Empore begrenzte, und sah hinab. Der Saal hatte sich vollständig geleert, und auch auf der Bühne war niemand mehr. Paula schien die einzige im riesigen Hörsaal verbliebene Person zu sein. Sie bemerkte Glauberg zuerst nicht. Er ging zu ihr. Bei ihr angekommen, beugte auch er sich über die Balustrade.
Die Ebene des Parketts lag drei Meter tiefer. Auf den Stufen der Seitentreppe dort lag ein Mann auf dem Rücken, die Arme ausgebreitet, die Knie in unnatürlichen Winkeln abgeknickt. Er rührte sich nicht. Unter seinem Schädel bildete sich eine Blutlache.
„Du gehst jetzt besser“, sagte Glauberg.
„Er wollte fliehen.“
„Du hättest nicht herkommen sollen.“
„Er ist gesprungen.“
„Du musst gehen.“
„Es war nicht meine Schuld.“
„Weil du nicht hier warst.“
„Es tut mir Leid“, sagte sie.
„Du warst nicht hier“, wiederholte er.
Sie wollte ihn ansehen, aber er wich ihrem Blick aus. Er wollte sich der Macht ihres Blicks und ihrer Augen nicht aussetzen. Paula drehte sich um und ging. Vom Foyer her tönten die Martinshörner der ersten Einsatz- und Notarztfahrzeuge in den Saal. Als Paula fort war, betrachtete Glauberg wieder den Mann im Parkett, der mit der rechten Hand ein Gewehr umfasst hielt. Da er auf dem Rücken lag, war sein Gesicht zu erkennen. Und Glauberg kannte es.